Die Bautzenerin Helena Pallmann färbt und verziert Ostereier mit allen vier traditionellen Techniken – von der Wachsbatik-, über Bossier- bis zur Kratztechnik.

Weltoffen und traditionell geht es am Karfreitag zu. „Wir sitzen dann bis zu zwölft am langen Wohnzimmertisch und verzieren mit der Wachsbatik- und Bossiertechnik Ostereier“, schildert Helena Pallmann (62) in Bautzen. Ihre Söhne Milan (36) aus Stuttgart, Marko (34) aus Zittau und Mato (31) aus Dresden bringen Familie und Freunde mit. Einmal verzierte sogar eine Japanerin mit. „Und das mit erstaunlicher Akribie.“

Helena Pallmann pflegt ihren ureigenen Stil. Sorbische Muster wie Sonne, Dreiecke, Wolfszähne und Bienenwaben tupft sie mit Federkiel und Stecknadel in der Wachsbatiktechnik aufs weiße Hühner-Ei. Beim Bossieren nutzt sie vor allem braune und grüne Eier. Sie verwendet gern grünes, weißes und schwarzes Wachs. „Das sind die Farben der sorbischen Hochzeit. Sie kommen in nahezu jeder Trachtenregion vor“, erzählt die gebürtige Bautzenerin. Von ihrer Mutter Johanna Nagel und Großmutter Martha Nagel aus Litschen, die es wiederum vom „alten Kowalik“ aus Schleife erwarb, lernte sie als Fünfjährige das Verzieren der Ostereier in der Wachsbatiktechnik, ebenso ihre Geschwister Lubina, Jan und Maja.

Frühzeitig interessierte sie sich für Sprache, Kultur und Geschichte der Sorben. Zu Hause war in den ersten Jahren Sorbisch Umgangssprache. Ihre Kindheit bis zur zweiten Klasse lebte Helena Pallmann in Litschen bei Hoyerswerda, dem Geburtsort ihres Vaters. Als sie die 2. Klasse besuchte, zog die Familie nach Berlin. „Wir hatten dort eine offene Geographie-Lehrerin“, erzählt Helena Pallmann. „In einer Unterrichtsstunde ging es auch um den Spreewald und um die Sorben. Sie schilderte uns sehr lebendig deren Trachten und Bräuche. Ich durfte sogar die Schleifer Kindertracht und sorbische Ostereier von zu Hause mitbringen und zeigen.“ Zu Hause verzierte die Familie auch fern der Lausitz Jahr für Jahr am Karfreitag Ostereier. Helena Pallmann lernte in der 9. und 10. KIasse an der Sorbischen Erweiterten Oberschule in Cottbus. Gerd Nagora, Lehrer für Kunsterziehung, verzierte mit den Schülern Ostereier. „Das gehörte sogar mit zum Lehrplan.“

Später studierte Helena Pallmann am Sorbischen Institut für Lehrerbildung in Bautzen. Das Staatsexamen erhielt sie als Unterstufenlehrerin für Mathematik, Deutsch und Niedersorbisch. In dieser Zeit verzierte sie oft mit Kindern Ostereier, unter anderem im Bautzener Beratungszentrum des Demokratischen Frauenbundes Deutschlands (DFD). Damals lernte sie Benno Scholze, Leiter des Hauses für sorbische Volkskunst, kennen. „Wenn er zu Vorträgen nach Polen und in die Tschechoslowakei ins Dreiländereck fuhr, reiste ich mit. Ich zeigte dann das Verzieren der Ostereier“, erzählt sie. 1975 saß Helena Pallmann zum ersten Mal in der Jury des Wettbewerbs um das schönste sorbische Osterei. 1979 durfte sie nach Rom reisen. Im „Palazzo delle Exposizioni“ wurde eine Ausstellung zum Thema „30 Jahre DDR“ gezeigt. Dreieinhalb Wochen zeigte Helena Pallmann dort im Auftrag des Hauses für sorbische Volkskultur das Verzieren der Ostereier. Nach ihrem Studium arbeitete sie zunächst zwei Jahre an der Polytechnischen Oberschule Lakoma-Willmersdorf bei Cottbus. Dort unterrichtete sie Musik, Mathematik, Deutsch und Niedersorbisch. „Danach studierte ich erneut. Diesmal an der Pädagogischen Hochschule in Potsdam Diplom-Musiklehrerin“, sagt Helena Pallmann. Acht Jahre war sie daraufhin Musiklehrerin am Sorbischen Institut für Lehrerbildung in Bautzen. Sie unterrichtete angehende Sorbisch-Lehrer und Kindergärtnerinnen in den Fächern Gitarre, Musik-Theorie und sorbische Musikgeschichte.

Im September 1980 reiste Helena Pallmann nach Wien zum Pressefest der Kommunistischen Partei Österreichs im Volkspark Prater. Auch hier verzierte sie wie in Rom Ostereier und warb für Sprache, Kultur und Traditionen der Sorben. Viel Staunen rief sie hervor. „Ich bin ein Mensch, der viel Neues probiert und verschiedene Varianten des Verzierens verwendet“, unterstreicht die heutige Bautzenerin. Nach der Wachsbatiktechnik – auch Wachsreservetechnik genannt – lernte Helena Pallmann Mitte der 1980er Jahre auch die Wachsbossiertechnik. Das Wissen zu den verschiedenen Techniken las sie sich vor allem aus Fachbüchern an, oder sie sah den Eier-Verzierern genau auf die Hände und kam mit ihnen ins Gespräch. Ende der 1980er Jahr lernte sie zudem die Kratztechnik. „Schwierig war hier, das richtige Werkzeug zu finden“, erzählt sie. „Erst allmählich gelang mir das.  Wichtig ist bei der Kratztechnik, das Ei für die vorgesehenen Muster genau einzuteilen. Meist zeichne ich mit Bleistift die Grundlinien vor.“ Später lernte Helena Pallmann ebenso die Ätztechnik. Hier kommt es auf eine solide Färbung der Eier an. Erst dann kann sie mit Salzsäure und Schreibfeder darauf verzieren.

„Heute werden in unserer Familie jedes Jahr zu Ostern Eier gekocht, mit Wachs verziert, gefärbt, im Garten für die Kinder und für die Erwachsenen versteckt, gesucht und später gegessen. Den Brauch der Eier-Suche am Ostersonntag pflegen wir bis heute“, sagt die Bautzenerin. Ostern verbringt die Familie gern in der Natur. Für Helena Pallmann heißt Ostern vor allem Erwachen des Lebens, Erwachen des Frühlings, Wandern im Freien. In jedem Jahr bleiben ein, zwei Eier ungefunden. „Wir überlassen sie der Natur“, sagt die Bautzenerin. „Wir überlassen sie den Tieren als Geschenk. Damit sind auch die Kinder glücklich.“

Am Nachmittag des Ostersonntages sieht sich die Familie gern Osterprozessionen an. Den kraftvollen Gesang der Osterreiter – verkündend die frohe Botschaft der Auferstehung – will Helena Pallmann nicht missen. „Jedes Jahr genießen wir auch das Osterfrühstück. Ich schmücke dann den Tisch österlich. Jeder bekommt ein gekochtes gefärbtes Ei. Passend zum Fest gibt es einen großen gebackenen Oster-Teig-Zopf mit Mohn“, erzählt die Bautzenerin.

Schon Wochen vor dem Fest nimmt sie regelmäßig am Sorbischen Ostereiermarkt in Bautzen und in Schleife teil. Dort trägt sie stolz die sorbische evangelische Lohsaer Werktagstracht. Damit bekennt sie sich zu ihrer Kindheit in Litschen und zu ihrer Herkunft als Sorbin. „Das Schöne ist: jedes Jahr bei den Ostereiermärkten sitzen andere Verzierer neben mir. So lerne ich neue Menschen kennen, tausche mich aus, lerne hinzu“, schildert Helena Pallmann.

Nach Geburt ihres dritten Kindes war sie Mitarbeiterin im Haus für sorbische Volkskultur in Bautzen. Im Bereich Musik gab sie Liederbücher und Notenhefte heraus. Sie organisierte Veranstaltungen und Werkstätten, unter anderem das Fest des sorbischen Liedes und der sorbischen Musik. Später war sie Mitgründerin des Förderkreises für sorbische Volkskultur. Seit 1997 arbeitet Helena Pallmann als Archivarin im Bereich Neue Medien und Musik am Sorbischen Institut in Bautzen. Die Tradition des Ostereier-Verzierens bewahrt sie sich tief im Herzen. Sie gibt sie gern in der Familie und an Außenstehende weiter. Dabei legt sie vor allem auf die ursorbischen Muster wie Sonnenräder, Bienenwaben und Wolfszähne Wert. Stolz erzählt sie von Sohn Milan und seiner Frau Isabel. Beide arbeiten als Präparatoren im Naturkunde-Museum Stuttgart. Zum Tag der offenen Tür stellten sie den sorbischen Brauch des Verzierens vor.

„Jedes Ei ist einzigartig und schön. Jedes Ei ist ein Zeichen des Lebens, der Fruchtbarkeit und der Schöpfung“, unterstreicht Helena Pallmann. „Das Wunderbare am Verzieren ist: So ein Ei wächst durch Phantasie und Mühe zu einem wahrhaftigen kleinen Kunstwerk.“

Text: Andreas Kirschke
Foto: privat

 

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