„Kunst ist das: dass man die Dinge immer wieder neu sieht“ (W. Kentridge), steht auf einer Ansichtskarte, die eine Farblandschaft von Christa Günther zeigt. Sonnenlicht, Grün und rote Farbspuren durchziehen das Bild, das sie „Tabula Rasa III“ nennt. Die Farben flirren und pulsieren, fließen immer wieder neu und anders ineinander auf den Leinwänden. Vielleicht spielt der Bildtitel darauf an?
In ihre Bilderwelt eintauchen und zuschauen, wie ein Bild sich malt, können Besucher beim diesjährigen 15. Kunst: offen in Sachsen. Während der Pfingsttage vom 8. bis 10. Juni öffnen Künstler sachsenweit ihre Ateliers, Arbeits- und Ausstellungsräume und laden ein zum Schauen, Staunen und Entdecken und natürlich auch zum Erwerben von Kunst.
Christa Günther öffnet ihr Atelier in der Alten Schuhfabrik auf der Gartenstraße 72A in Radebeul an diesen Tagen ebenfalls von 10 bis 18 Uhr. Wie ein Bild sich malt, können die Besucher von 15 – 16 Uhr bei ihr erleben. Eine lustige Figur, aus einer Staffelei zusammengesetzt mit bunt bekleckstem, weißem Shirt und bemalter CD als Kopf weist den Weg zum Atelier von Christa Günther in der zweiten Etage der Alten Schuhfabrik in Radebeul. Ein saniertes, helles Gebäude mit roten Klinkersteinen. Seit 2006 hat Christa Günther hier ihr Atelier. Nebenan haben Peter und Karen Graf ihre Ateliers und eine Tür weiter der Künstler Matthias Kistmacher. Im Gebäude sind außerdem ein Architekturbüro und ein Fuhrunternehmen tätig.
Christa Günther ist bereits zum 13. Mal bei „Kunst: offen in Sachsen“ dabei.
„Für mich ist Malen etwas ganz Zärtliches, das der Seele gut tut. Etwas erschaffen, bei dem man alles um sich herum vergisst, das ist das Schönste am Malen“, sagt die Künstlerin. 1998 hängte Christa Günther ihren Job an den Nagel. Sie unterrichtete viele Jahre als Lehrerin Deutsch und Musik und hat drei Kinder alleine großgezogen. Während einer Waldorfpädagogik-Ausbildung in Stuttgart kam sie zur freien Kunst und seither lässt der Umgang mit Farben sie nicht mehr los. Sie besuchte Kurse im riesa efau in Dresden, bei Sandor Doro, Frank Herrmann und Maksa, einer Hamburger Künstlerin. “Sandor Doro hat mich in die Abstraktion gebracht“, sagt sie.
Malen sei auch ein Spaziergang nach innen. Die Farbe Blau, die für das Unbewusste und die Seele steht, taucht facettenreich in ihren Bildern auf, die sie Farbschicht um Farbschicht mit Pinsel, Spachtel und Rakel aufträgt. Dabei entstehen faszinierende Farbspiegelungen, fließende, ineinander greifende, sich durchdringende, überlagernde, rissig-brüchige und lichtvoll changierende Farbräume mit Titeln wie „Mia Volta“ (griech.: Spaziergang) oder „Phanta Rei“ (Alles fließt). Angeregt von der Natur und Reiseeindrücken. Sie macht sich keine Skizzen, sagt Christa Günther, sondern malt rein aus dem Gedächtnis, der Erinnerung. Ihre mal pastellfarbenen, mal kraftvoll leuchtenden Bilderlandschaften wirken oft auch wie erinnerte Träume, halb konkret, halb verschwommen in der Ferne aufleuchtend. Und lassen dem Betrachter viel Spielraum, eigenen Empfindungen und Fantasien nachzugehen.
Während das Bild auf der Leinwand Form annimmt, ist es mucksmäuschenstill im Atelierraum, hört man nur den Spachtel sacht über die Fläche streichen. Ein spannendes Erlebnis auch für Julius (7), der mit seiner Oma, einer ehemaligen Lehrerkollegin von Christa Günther, hergekommen ist. „Das Gelb sieht aus wie eine Banane mit Nase und das Rot wie ein tanzender Weihnachtsmann“, sagt er. Die Künstlerin und die anderen Erwachsenen schmunzeln. Sie dreht das Bild um, dann sieht es wieder anders aus.
Sie öffnet gern ihr Atelier. „Ich merke, wie die Leute reagieren auf meine Kunst, es ergeben sich Gespräche und wenn ich ein Bild verkaufe, ist das ein schöner Nebeneffekt“, sagt sie. Die Besucher können nach dem Bilderbummel auch Wein aus eigenem Anbau ihres Freundes, der Winzer ist, verkosten. Rotburgunder und Zweigelt stehen bereit. Auf der Staffelei im Atelier trocknet inzwischen das kleine Ölbild. „Jetzt lasse ich es einfach laufen. Mal sehen wie es in einer Stunde aussieht. Dann kann ich noch mal drüber gehen“, sagt Christa Günther. Fünfzehn Besucher hatte sie am Sonnabend im Atelier innerhalb einer Stunde, weiß sie anhand der von draußen nach drinnen in eine Schale gewanderten Steine, Reisemitbringsel. Sie lächelt glücklich.
Bilder von ihr sind auch in der derzeitigen Ausstellung der Künstlergruppe „Radebeuler Kunstspuren“ im Foyer der Landesbühnen Sachsen in Radebeul vor den Vorstellungen zu sehen (noch bis 23. Juni). Die 15 KünstlerInnen öffnen ihre Ateliers wieder für Besucher am 15. September, von 10 – 18 Uhr.
Text + Fotos (lv)
Eine Übersicht der Künstler, die ihre Ateliers über Pfingsten für Besucher öffnen, steht unter http://www.kunst-offen-in-sachsen.de