Reizvolles Spiel auch ohne Küsse: die widerspenstige Olivia Katharina (Olivia Delaurè) und ihr Verehrer Petruchio (Holger Uwe Thews). Fotos: Sylvio Dittrich
Wie aus weniger mehr wird
Beim Musical „Kiss me, Kate“ an den Landesbühnen Radebeul bewirken die Corona-Einschränkungen, dass die Darsteller zu Bestform finden. Am 31. Oktober war Premiere.
Von Kathrin Krüger-Mlaouhia
Die Bühne ist minimal bestückt, es gibt kaum Kulissen, nur wenige Requisiten. Aber einige sind Wie aus weniger mehr wird unerlässlich: Masken und Plexiglaswände. Sie hindern die Darsteller daran, sich zu berühren, ja sich zu küssen. Aber genau das soll doch laut Stücktitel passieren. An gelegentlichen Spitzen zeigen die singenden Schauspieler im Musical „Kiss me, Kate“ an den Landesbühnen Sachsen, wie sehr ihnen die Corona-Einschränkungen zusetzen. Nur die Premiere durfte am Sonnabend stattfinden. Nun ist das Stück wie der gesamte Spielplan für einen Monat auf Eis gelegt.
In „Kiss me, Kate“, 1948 in New York uraufgeführt, wird Theater in einem Theaterstück gespielt. Während eine Darstellergruppe Shakespeares Komödie „Der Widerspenstigen Zähmung“ aus dem 17. Jahrhundert vorbereitet, in der es um Liebe und Widerstand geht, ergeben sich auch unter den Darstellern Beziehungskonflikte und amouröse Abenteuer – wie Petruchio und Katharina auf der Bühne, so Fred und Lilli hinter den Kulissen. Bzw. Lucentio und Bianca alias Bill und Louis Lane.
Wie das Ensemble dieser musikalischen Komödie in der Inszenierung von Peter Kube aus dem Weniger an Miteinander ein Mehr an Darstellungskunst macht, ist lustvoll anzuschauen. Und anzuhören. Bis auf die ausgebildete Sängerin Olivia Delauré als Gast (Katharina) und Musicaldarstellerin Christin Rettig (Bianca) ausschließlich Schauspieler singend zu den Band-Einspielungen zu erleben. Sie kraxeln für so bekannte Hits aus der Feder von Cole Porter wie „Wunderbar, wunderbar“ auf Tische. Sie erklimmen die typisch amerikanische Showtreppe für „Es ist viel zu heiß“. Oder kleiden sich um, während sie „Schlag nach bei Shakespeare“ schmettern. Auch konditionell zeigen sich die Darsteller in Höchstform.
Holger Uwe Thews legt als Petruchio mit Rasta-Haartracht sängerisch gegenüber seiner Rolle im Landesbühnen-Musical „Hair“ noch einiges zu. Olivia Delaurè reizt ihre Rolle als leidenschaftliche und widerspenstig geltende Katharina bis zum Äußersten aus. Christin Rettig bekommt für eine bravouröse Stepeinlage Szenenapplaus der nur einhundert erlaubten Premierengäste. Sehr amüsant sind zudem Moritz Gabriel und Michael Berndt-Canana, die in der Verkörperung zweier Ganoven ihrer komödiantischen Finesse so richtig Raum geben können.
In Erinnerung bleibt vor allem das kreativ umgesetzte Tanzen der Darsteller innerhalb von Plastikgehäusen. Wie sie drehend über die Bühne schieben und dabei das anstrengende Leben eines Reisetheaters zwischen Pirna und Großenhain intonieren, ist Corona geschuldet und gerade deshalb eine fabelhafte Darbietung. Welch erstaunliche Energie aus einer Pandemie!
Wieder am 4.12. im Stammhaus Radebeul, am 5.12. im König-Albert-Theater Bad Elster.
http://www.landesbuehnen-sachsen.de
Amüsantes Versteckspiel zweier Ganoven: Michael Berndt-Canana und Moritz Gabriel. In der Mitte Johannes Krobbach.