Der Traum vom Fliegen… Im Zwiespalt der Gefühle zwischen schwebender Leichtigkeit, Lebenslust und Übermut und starren Konventionen von Familie und gesellschaftlichen Rollenbildern hin und hergerissen… Von einer ungewöhnlichen Liebesbeziehung erzählt die Aufführung „Sylvia und Sybille“ (mit Leonie Hämer und Fanny Staffa) unter Regie von Daniela Löffner im Kleinen Haus des Staatsschauspiels Dresden. Foto: Sebastian Hoppe

Beeindruckendes Ping-Pong der Gefühle

Emotionsreich voller leiser, lauter, komischer, trauriger, sinnlicher und berührender Szenen und Momente kam die Inszenierung „Sylvia und Sybille“ nach Christa Winsloe in einer Überschreibung von Daniela Löffner auf die Bühne im Kleinen Haus.

Zwei Frauennamen im Stücktitel sind selten im Theater. “Sylvia und Sybille“ nach Christa Winsloe erzählt in einer Überschreibung von Regisseurin Daniela Löffner eine ungewöhnliche und spannungsreiche Liebesgeschichte. Eine Mutter beginnt eine Affäre mit der Freundin ihres Sohnes. Sylvia ist 16, Sybille 46. Der große Altersunterschied und ihre, unkonventionelle, leidenschaftliche Beziehung verschärfen die Situation. Zur Entstehungszeit Anfang der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts war das Stück ein Skandal. Wie gehen Familie und Gesellschaft heute mit derartigen Tabubrüchen und gleichgeschlechtlicher Liebe um? Fragt die Inszenierung die im Mitte Mai Premiere im Kleinen Haus des Staatsschauspiels Dresden hatte.

Die Zuschauer sitzen rings um die Bühne und können das Geschehen von allen Seiten betrachten. Die Darsteller spielen und schauen abwechselnd zu.
Zu Beginn sieht man einem jungen Paar beim Tischtennis zu. Minutenlang. Wenig aufregend. Bald fliegen wie beim Ping-Pong des Balls auch die Gefühle, Wut, Schmerz und unerfüllte Sehnsüchte, lange aufgestaut, heftig hin und her zwischen Erwachsenen und jungen Leuten. Nach und nach erfährt man aus ihren Wortwechseln oder mehr  –gefechten die familiären Bezüge, Hintergründe und erlebten Tragödien der einzelnen Figuren und wie sie zueinander stehen. Das Mädchen in den kurzen Hosen, Lilly (lebensfroh-selbstbewusst: Mina Pecik) und ihr Freund Henry, Bruder von Sylvia (Jakob Fließ) bekämpft seine Trauer um den Tod der Mutter mit Aggressivität gegenüber seinem Umfeld. Passt ihm etwas nicht, schlägt er wie verletzt wild um sich, wandelt sich Zärtlichkeit in Gewalt. Seine Schwester Sylvia (nach außen cool: Leonie Hämer) trägt nur dunkle Klamotten, fühlt sich von allen unverstanden und will nur ihre Ruhe.

Mit ihrem Vater (egozentrisch und wehleidig: Hans-Werner Leupelt) zofft sie sich ständig. Die harmoniesüchtige Hausfreundin Maike (Christine Hoppe) kann die Risse in der Familie nicht kitten. Erst lächelnd und dann zunehmend genervt wehrt Sylvia die Annäherungsversuche von Fritz (tragikomisch: Daniel Séjourné) ab, der erst naiv gutmütig im bunten Streifenpulli und dann als feurig romantischer, wutschnaubend verstoßener Liebhaber in weißem offenen Hemd und schwarzer Hose auftritt. Er malt ihr eine schöne Zukunft aus und will mit ihr irgendwohin, weit weg von allem, was dunkel und banal ist. Beim Abendessen bei Fritz zuhause lernt Sylvia Sybille kennen, einer verwitwete Modedesignerin, attraktiv und elegant in weißem Anzug (mal herb dandyhaft und gefühlvoll weiblich im lindgrünen Kleid: Fanny Staffa) kennen, die so ganz anders ist, ihr zuhört, ihren Schmerz versteht. Bei der sie endlich wieder aufblüht und ganz sie selbst sein kann.

Scheu, sinnlich, berührend und schmerzlich schön erlebt das Publikum gemeinsam mit Sylvia und Sybille hautnah alle Facetten ihrer Liebe mit allen Höhen und Tiefen, Widersprüchen, Lust und Verzweiflung, die an gesellschaftlichen Rollenbildern und Normen scheitert. Wunderschön die Szene, bei der Sylvia auf einem funkelnden Kronleuchter wie auf einer Schaukel übermütig schwingt und Sybille sie anschiebt, auffängt und aus ihrer Traurigkeit zurück ins Leben holt. Verlockend schwebende, weiße Tücher wandeln sich zu Seilen, Fesseln und schwarzes Klebeband spannt sich bis in die Zuschauerreihen einschneidend. Da suchen die jungen Leute Geborgenheit und Vergnügen, tanzen im Drogenrausch, aus Infusionsbeuteln inhallierend wie Patienten auf der Intensivstation und wird mit vorgehaltener Pistole knallhart gefragt: Wer bist du und wofür stehst du?!

In einfallsreichen und eindringlichen, lauten, leisen, schrillen, komischen und traurigen Szenen und großartig, packendem Spiel vor allem der beiden Hauptdarstellerinnen kam die Geschichte auf die Bühne. Reichlich Beifall gab es dafür vom Publikum.

Text (lv)

Letzte Vorstellung vor der Spielzeitpause: 30.6., 19.30 Uhr im Kleinen Haus.

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