Alles hat seine Zeit. Im Leben und in der Natur. Trauerrednerin Andrea Zimmermann hilft beim Abschiednehmen. Foto: © Steffen Füssel

Etwas gemeinsam tun tröstet
mehr als Worte

Die Trauerrednerin Andrea Zimmermann begleitet Menschen beim Abschiednehmen mit selbst gestalteten Ritualen, die Halt und Kraft geben. Ein Beitrag zum Volkstrauertag am Sonntag.

Ein sonniger Herbsttag. Auf einer Wiese unter einem Baum, übersät von Licht- und Schattenflecken, packt Andrea Zimmermann ihre schwarze Mappe aus. Sie enthält ihre Reden und Notizen, mit denen sie Trauernde beim Abschiednehmen begleitet, außerdem eine Halstablette mit ätherischen Ölen für die Stimme und ein Taschentuch. Auch wenn sie weiß: „Trost kann man mit Worten nicht wirklich geben. Doch sie tun gut, wenn Angehörige sich verstanden fühlen und der verstorbene Mensch gewürdigt wird“, weiß Andrea Zimmermann. „Denn da ist etwas abgerissen mit dem Tod, das schwer zu begreifen ist und erst im Kopf und Herz ankommen muss.“

Sie kennt das Gefühl von Unsicherheit und Hilflosigkeit, wenn man plötzlich mit einem persönlichen Verlust oder schwerer Krankheit in der Familie oder im Freundeskreis konfrontiert wird. Wenn man nicht weiß, wie man dann sowohl dem Betroffenen als auch den Angehörigen in der schweren Zeit danach begegnet. „Wichtig ist, sich Zeit zum Abschied zu nehmen und eine Form dafür zu finden. Am besten ist, wenn die Angehörigen noch selber etwas tun können, um nicht ganz der Trauer ausgeliefert zu sein“, sagt Andrea Zimmermann. Vieles nehmen die Bestatter den Trauernden ab, aber das sei nicht immer hilfreich.

Halt und Trost geben können gemeinsame Rituale, indem beispielsweise jeder Trauergast am Friedhofseingang eine Kerze bekommt und aufstellt für den Verstorbenen. Man kann aber auch Erde und Blüten aus dem eigenen Garten ins Grab streuen oder persönliche Dinge mitgeben. Oder in eine Schale Blumenzwiebeln pflanzen, die im Lauf des Jahres aufblühen. “Es gibt auch Menschen, die die Urne selbst töpfern oder den Sarg bemalen, um bewusst etwas zu gestalten über den Schmerz des Verlustes hinaus“, erzählt sie. Andrea Zimmermann trägt eine Kette mit einer Silbermünze und eingravierter Spirale, die ihre Mutter von einer Reise mitbrachte und an sie erinnert. Die Münze steht als Symbol für die Überfahrt mit dem Fährmann ins Jenseits. „Jeder Mensch ist einmalig, jeder Abschied auch“, sagt die Trauerrednerin.

Sie hat Geotechnik in Freiberg studiert, arbeitete bis zur Wende im Beruf und wechselte später in einen Natursteinbetrieb, der sich mit der Restaurierung von alten Bauwerken beschäftigt. Dort hat sie jetzt eine Teilzeitstelle. Außerdem ist Andrea Zimmermann seit 2000 als freie Festrednerin und Trauerrednerin in Dresden und Umgebung bis in den mittleren Erzgebirgskreis unterwegs. Sie Ausbildungen zur Trauerbegleiterin und -rednerin im Zentrum für Trauerbegleitung und Lebenshilfe e.V. in Dresden abgeschlossen. Im Vorgespräch mit den Angehörigen bespricht Andrea Zimmermann den Ablauf, die passende Musik und die Rede für die Gedenkfeier. Den Begriff mag sie lieber.

„Denn im Zentrum einer Trauerrede steht das Leben, nicht die Trauer“, so Andrea Zimmermann. Sie rät zu Instrumentalmusik, um den eigenen Empfindungen nachzugehen, etwa dem Klavierstück aus dem Film „Die fabelhafte Welt der Amelie“ oder aus dem Film „Les Choristes“. Es werden aber auch Gospellieder, Dixieland oder Schlager von Stefanie Hertel auf Trauerfeiern gespielt. Letzterer auf ausdrücklichen Wunsch einer älteren Dame. Manchmal begleiten Livemusiker den Trauerzug zum Grab. Es kommt auch vor, dass zumeist ältere Menschen sie sich noch zu Lebzeiten als Trauerrednerin wünschen. „Dann weiß ich besser, wie der Mensch war.“

Sie empfindet mit den Trauernden. „Es hinterlässt eine Spur in mir, aber es ist ihre Trauer. Ich kann abends ins Kabarett gehen und wieder lachen“, sagt Andrea Zimmermann. Es geht auch nicht nur traurig zu auf Beerdigungen. „Ich habe auch schon erlebt, dass Leute einen Lachanfall in der Trauerhalle bekamen und ich musste ernst bleiben“, erzählt Andrea Zimmermann. Auch wenn es zunächst befremdlich wirkte, half das Erinnern an frohe Momente und kleine Marotten des Verstorbenen auch ein Stück die Traurigkeit zu vergessen. Das will sie auch erreichen, wieder ein Lächeln hinter den Tränen hervorzulocken und auch das Schöne im Leben zu sehen. Andrea Zimmermann hat auch die Trauerrede für ihre Eltern gehalten und sie sind ihr in der letzten Lebensphase näher gerückt. Ihr Blick auf das Leben hat sich auch verändert.

„Mich hat die Beschäftigung mit dem Tod dem Leben näher gebracht, man wird dankbarer und sensibler. Mich berührt auch das Vertrauen, das ich bekomme und die vielen spannenden Lebensgeschichten, die ich höre“, sagt Andrea Zimmermann. Sie hat inzwischen vier Enkel zwischen zwei und acht Jahren, mit denen sie gern in der Natur ist und sie fährt viel Fahrrad zum Stressabbau. Sie hat eine schöne Inschrift auf einem Grabstein auf einem Dresdner Friedhof entdeckt: “An diesem Grab darf geweint, gelacht und nachgedacht werden.“

Text (lv)